Kanada, das zweitgrößte Land der Erde, ist ungefähr 28-mal so groß wie
Deutschland, und im kanadischen Norden leben nur wenige Menschen. Ich war
häufiger im Yukongebiet, an der Grenze nach Alaska. Dort habe ich
Freunde: Deutsche Auswanderer, Indianer, Lachsfischer, Minenarbeiter,
einen Arzt... Das Land hat mich seit jeher angezogen. Deswegen habe ich
eines Tages meinen Rucksack gepackt, bin nach Kanada geflogen und auf
eigene Faust losgezogen. Um mir mein Reisegeld zu verdienen, wollte ich für
eine deutsche Zeitschrift seiner Zeit eine Reportage über Aussteiger in
der kanadischen Wildnis schreiben. Die Gruppe, die ich besuchte, war
jedoch völlig zerstritten, so dass ich auf die Reportage verzichtete und
stattdessen den Roman „Die Fährte des Grauen Bären“ schrieb, meinen
ersten Kanada-Abenteuerroman. Damals war ich ein Vierteljahr in Kanada mit
dem Auto, per Flugzeug, zu Fuß und mit dem Kanu unterwegs.
Eine spannende, aufregende Zeit, immer wieder. Viele Erlebnisse sind
dann in meine Bücher eingeflossen. Einen Sommer lang habe ich einmal
allein in der Wildnis in einem Blockhaus zugebracht. Zuerst war alles neu
und exotisch. Ich habe die Umgebung erkundet, geangelt, Holz gehackt,
Beeren gesammelt, gekocht usw. Es ist mir auch gut bekommen, einige Zeit
abseits der Betriebsamkeit und Hektik unserer Zivilisation zu mir zu
finden. Unter anderem wurde mir
damals bewusst, dass der Egoismus und die Begehrlichkeit, auf denen unsere
Gesellschaft fußt, oftmals ein humanes Leben verhindern. Aber nach fünf,
sechs Wochen begann ich die Menschen zu vermissen, geistigen Austausch,
die Kultur und die zivilisatorischen Annehmlichkeiten – es wurde eintönig.
Dann die Mückenplage und die unvermeidlichen, nicht selten gefährlichen
Begegnungen mit Bären. Das Leben in der Wildnis ist nicht ganz so
romantisch, wie viele es sich hinter dem warmen Ofen ausmalen. Vor allem
bei Regen ist es trist. Grüner Wald und frische Luft, Ruhe und
Kontemplation, reichen auf die Dauer nicht aus, mir jedenfalls nicht. Der
Mensch ist eben doch ein Gemeinschaftswesen. Die Zivilisation hat, neben
den Nachteilen, die wir alle kennen, natürlich auch viele Vorteile. Man
knipst an einem Schalter, und es wird hell; man dreht an der Heizung, und
es wird warm. Wenn ich eine Tasse Kaffee will, stelle ich den Herd oder
die Kaffeemaschine an und habe im Nu kochendes Wasser; ich muss nicht erst
Holz sammeln, Wasser holen, Feuer anzünden. Und ein Badezimmer
ist auch nicht zu verachten.
Mehrmals war ich in der legendären alten Goldgräberstadt Dawson City, wo
der Klondike River in den Yukon mündet. Vor über hundert Jahren hat der
später berühmt
gewordene Schriftsteller Jack London dort nach Gold gesucht. Er hat zwar
keines gefunden und zog schon nach neun Monaten mit Skorbut hinkend wieder
ab, doch mit vielen Geschichten im Gepäck, die er wohl überwiegend an
den Wirtshaustheken gehört hatte (er war bekanntlich ein starker
Trinker). Ich habe in dieser Gegend drei Sommer lang zusammen mit einem
Halbindianer Lachse gefischt und in dieser Zeit ebenfalls viel erlebt und
erfahren. Meine in Kanada spielenden Abenteuerromane habe ich jeweils
begonnen, wenn ich nach Hause zurückgekehrt war. Unterwegs führe ich
Tagebuch, mache mir Notizen und schreibe manchmal Gedichte oder die Idee
zu einer Geschichte. Einen Roman kann ich am besten in meinem
Arbeitszimmer an Schreibtisch und Computer schreiben. Das dauert dann
jeweils mindestens ein Jahr. So ein Roman ist immer eine Konstruktion,
etwas Ausgedachtes, er entsteht im Kopf des Autors. Ich erzähle eine
Geschichte, die unterhaltsam und spannend sein soll, möglichst auch
geistreich, und nebenbei erfahren die Leser viel über das Land und die
Menschen. Meine Anknüpfungspunkte
stammen oft aus der Realität. Obwohl ich keine „Problembücher“
schreibe, komme ich hin und wieder an den Problemen, mit denen wir zu tun
haben, nicht vorbei. Zum Beispiel kann man heutzutage nicht über Indianer
schreiben, ohne auf ihre Diskriminierung, auf Alkoholismus und Drogensucht
einzugehen. Ich kann nicht eine Goldmine beschreiben und die Zerstörung
der Landschaft verschweigen. Allerdings sind das nicht die Hauptthemen
meiner Bücher. Durch die Aufenthalte im kanadischen Norden ist mein Leben
sehr bereichert worden. Vor allem die Erkundungen in der Natur haben mich
vieles gelehrt, was ich vorher nicht gewusst oder nur geahnt habe. Ein
bisschen davon möchte ich an meine Leser weitergeben. Inzwischen spielen
sieben meiner etwa vierzig Bücher in Kanada.